Routinen: „Lassen Sie sich nicht stören“ (Woche 3)

Blick aus dem Zugfenster

Im Zug von Rottweil nach Stuttgart

Frühstück um 8 Uhr, Mittagessen um 13:15 Uhr, Abendessen um 17:45 Uhr: Allmählich finde ich mich in die Zeiten und Routinen des Konvikts ein. Trotzdem (oder gerade deshalb?) habe ich zum ersten Mal, seit ich in Rottweil bin, Heimweh. Ein Besuch in der „Werk-AG“ und zwei kleine Ausflüge helfen.

 

Momente der Woche

  • Premiere am Montag: Zum ersten Mal seit meiner Ankunft in Rottweil schaffe ich es, mir Nachtisch zu nehmen, bevor der Gong zum Ende des Mittagessens ertönt.
  • In der Werk-AG am Dienstag färbt ein Schüler mit Graffitispray seine Schuhsohlen ein: die eine blau, die andere gelb.
  • Das Schwimmbad in Rottweil bietet einen Service, den ich schon oft vermisst habe. Neben der Kasse zeigt ein Flachbildschirm an, wie voll das Schwimmbad ist. Als ich ankomme, ist der Schwimmbetrieb laut Anzeige „ruhig“.
  • Rottweil ist überall: Bei der Beratung in einem Technikmarkt in Stuttgart erfahre ich wieder etwas über meine Heimat auf Zeit – und erhalte einen Schreibtipp gratis. Ein Verkäufer erzählt mir, dass der Ex-Profiboxer Luan Krasniqi („Der Löwe“) aus Rottweil komme und immer noch dort wohne. Über den solle ich schreiben. Und ihn bei der Gelegenheit bitten, wieder in den Ring zu steigen. Hiermit geschehen.
  • Im letzten Zug von Stuttgart nach Rottweil (zur Wasenzeit): Alle paar Minuten betritt jemand das Abteil, sagt im Schaffnerton „Guten Abend“ und wartet, dass die Passagiere ihre Fahrkarten hervorholen oder zumindest kurz aufschrecken, um dann zu sagen: „Lassen Sie sich nicht stören.“ Beim vierten „Guten Abend“ schaue ich schon nicht mehr auf. Dieses Mal ist es wirklich der Schaffner.
  • Bei der Schreibwerkstatt im Konvikt frage ich die Schüler nach beliebten Orten (Antworten: Bett! Meer! Bücherei!) und unbeliebten Orten (Schule! Schreibtisch!). Eine Schülerin nennt als Ort, den sie nicht mag: „zuhause“.
  • Schönes Geschenk zum Wochenende: Am Freitag teilt die Neue Rottweiler Zeitung meinen Blog als „Fundstück des Tages“ bei Facebook.

Vokabel der Woche

Stuttgarter Schlossplatz bei Nacht

Ziel meiner Landflucht: Stuttgarter Schlossplatz bei Nacht

Erkenntnisse über Heimweh

Mein erstes starkes Heimweh kommt nach zwei Wochen. „Ganz typisch“, versichert mir ein Freund, der selbst etwa die Hälfte des Jahres geschäftlich unterwegs ist, bevorzugt außerhalb von Europa. Im Selbstversuch erprobe ich:

Was Heimweh verstärkt

  • Frieren
  • Essen unter Zeitdruck
  • Honorarverhandlungen
  • (zu) früh geweckt werden
  • (zu) wenig Schlaf
  • schlechte WLAN-Verbindung
  • mild gewürztes Essen
  • Verständigungsschwierigkeiten

Was Heimweh lindert

  • mit einem lieben Menschen telefonieren
  • reparierte Heizung
  • Schwimmen
  • Bücherflohmarkt besuchen
  • Schokolade
  • Musik hören (derzeit: Alcest und Star FM)
  • einen schönen Ort besuchen: den Park der Erich Hauser Stiftung
  • Verabredungen treffen
  • Lesen oder Film schauen
  • mit einem Freund über Gott und die Welt reden
  • Ausflug in die nächste Großstadt
  • Fahrtkarte für ein Wochenende zuhause buchen

5 Gedanken zu „Routinen: „Lassen Sie sich nicht stören“ (Woche 3)

  1. Reingeschmeckte – oder auf schwäbisch: „Reig’schmeckte“ – heißen in Hamburg „Fischköppe“. Aufgewachsen in Schwaben als Kind hamburgischer Eltern, bin ich an beiden Orten beides. Dennoch nicht heimatlos und darum ist mir Heimweh auch nicht fremd. Deine Vorschläge zur Linderung desselben kann ich voll und ganz bestätigen und ergänzen: einen sentimentalen Film schauen, um herzzerreißend weinen zu können. Quasi als Alibi 🙂

    Falls du nächsten Samstag noch nichts vorhast, kann ich dir als Ausflugsziel Tübingen ans Herz legen: da findet ab 14 Uhr das jährliche Entenrennen statt.
    (https://www.tuebingen.de/veranstaltungen#11946)
    Auf keinen Fall darfst du dir aber die „chocolART“ Anfang Dezember entgehen lassen!
    (http://www.chocolart.de/) – der 5. Punkt auf deiner Heimweh-Bekämpfungsliste wird Purzelbäume vor Glück schlagen 😉

    Liebe Grüße aus dem Norden!

    • Liebe Ulrike,
      danke für Deinen lieben Tipp zur Linderung von Heimweh. Den werde ich beizeiten berücksichtigen … und über etwaige Erfolge hier berichten 😉
      Klasse, der Tipp mit Tübingen! Gerade habe ich nachgeschaut und war überascht, wie flott ich von Rottweil mit dem Zug dorthin komme (in einer guten Stunde) – schneller, als ich dachte! 🙂 Da werde ich unbedingt mal vorbeischauen.
      Lieben Dank und herzliche Grüße aus dem Südwesten!

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